Der „Weisse Kranich“
Der „Weisse Kranich“
Die Kung-Fu Stile, die mit dem Begriff „Weisser Kranich“ bezeichnet werden, lassen sich grob in nord- und südchinesische einteilen. Während sich der nordchinesische „Kranich“ durch weit ausholende, anmutige Bewegungen und bisweilen hohe Stellungen auszeichnet, fallen die südchinesischen Stile insbesondere durch weiche, körpernahe Bewegungen und eine spezielle Art der Körperdynamik auf, durch die die Kraft generiert wird und die dem Begriff „Fa-Jing“ entspricht.
Der südchinesische „Weisse Kranich“, der hier gepflegt wird, legt höchsten Wert auf diese Art der Körperdynamik und zeichnet sich im Umfeld der allgemein bekannten Kung-Fu Stile insbesondere durch dieses Charakteristikum aus. Alle Einzelmomente sind vollständig auf dieses Ziel ausgerichtet. Gewiss stellt die Stabilität auch im Weissen Kranich einen bedeutenden Wert dar, aber sie wird sehr stark als dynamische Einheit aufgefasst und darf niemals statisch anmuten. Es gilt, aus der dynamischen Stabilität der Grundstellung heraus bei jeder Aktion jeweils aus der Körpermitte heraus eine wellenartige, bisweilen zirkuläre Bewegung in Gang zu setzen, die die Kraftdynamik fließend von der Körpermitte aus in die Extremitäten leitet und in allen Schlägen und Blöcken wirksam werden lässt. Es werden Bewegung Fertigkeiten, und dafür so gut wie ( je nach Schule ) keine Formen gepflegt
Der Weisse Kranich ist auf eine Serie der Schläge ausgerichtet. Trotzdem wird jeder Schlag mit voller Kraft des ganzen Körpers ausgeführt. Zudem steht dieser Stil in enger Verbindung mit „Qinna“,“Schuaijiao“ sowie dem südchinesischen „Tiger“. Er ist sehr aggressiv und strebt die sofortige Kontrolle durch Wirkungsschläge und Griffe an. Die Distanz ist kurz. Die Tritte sind ebenfalls kurz und zielen niemals auf Ziele oberhalb der Gürtellinie ab. Sie werden vorwiegend zielgerichtet auch die empfindlichen und verletzlichen Beinpartien ausgerichtet.
Dem Ideal des Körpers als einer dynamischen Einheit entsprechend verwendet der Weisse Kranich den gesamten Körper als Waffe. Neben Faustschlägen und Tritten, sowie den Qinna-Techniken, werden unaufhörlich auch die Unterarme, Ellenbogen, und Schultern eingesetzt.
Auf symbolischer Ebene entspricht die Kraftdynamik dieses Stils der Tatsache, dass ein zwar anmutiges, aber durchaus wildes Tier nachgeahmt wird. Dies äußert sich speziell in der Hingabe, mit der jede Aktion ausgeführt wird und dem Gesamteindruck, denn diese spezielle Art der Körperdynamik vermittelt, indem sie auf eigentümliche Weise Kontrolle und wohldosierte – allerdings hoch dosierte – Aggressivität zum Ausdruck bringt. Die Grundidee besteht darin, dass der Kranich nur dann in den Kampf geht, wenn er dazu genötigt wird, indem er sich existenziell bedroht fühlt: dann allerdings setzt sich das wilde Tier naturgemäß mit aller Gewalt und ohne Rücksicht auf ästhetische Kategorien zur wehr. Dies macht den besonderen Charme des „Kranichs“ aus und gilt ohne Abstriche für die übrigen Stile, die ein wildes Tier nachahmen. Idealtypischerweise kann hier der Vergleich zum „Tiger“ angestellt werden.